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Kaum ein Thema fasziniert die Menschen seit jeher so sehr, wie der Anblick des Sternenhimmels. Jahrtausende bewegten und prägten die Sterne und der Lauf der Gestirne ganze Kulturen und beeinflusste Traditionen, Wissenschaften und Religionen. Doch wo kann man heutzutage noch einen solchen Nachthimmel erleben, der einem mit ein paar tausend sichtbaren Sternen und dem diffusem Band der Milchstraße entgegenfunkelt? Die Antwort darauf ist ziemlich erschütternd: nämlich fast nirgendwo mehr in Deutschland. Denn die Vermüllung des Nachthimmels mit menschengemachtem Kunstlicht, das den Nachthimmel immer heller werden lässt, hat in den letzten 100 Jahren extrem zugenommen.
Einen Überblick zum Thema Lichtverschmutzung, beziehungsweise „Lichtmüll“, wie ich es nenne, bietet ein Fachartikel, den ich vor kurzem verfasst habe. Er zeigt nicht nur die Ursachen, Wirkungen und mögliche Eindämmungsmaßnahmen von zu viel Kunstlicht auf, sondern bietet auch interessantes Kartenmaterial auf Basis des kürzlich neu erschienenen Lichtverschmutzungs-Atlas 2016. Diesen Fachartikel finden Sie ► HIER.
Auf Basis des Kartenmaterials wurde auch der Standort für die regelmäßigen Sternführungen am Chiemsee gewählt: nämlich die Ratzinger Höhe. Dieser zur Gemeinde Rimsting gehörende Ortsteil zählt nicht nur zu den dunkelsten Gebieten, die die Region unmittelbar um den Chiemsee zu bieten hat, sondern liegt zudem auch noch auf immerhin knapp 700 Metern Höhe (ü.d.M.), was sich in Sachen geringere Luftunruhe sehr positiv in puncto Sterneschauen bemerkbar macht.
Unter Astronomen ist sie schon lange ein Geheimtipp. Und der aktuelle Lichtverschmutzungs-Atlas bestätigt es unmissverständlich: die Winklmoos-Alm bei Reit im Winkl ist einer der dunkelsten Gebiete in Bayern. Knapp 1200 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, präsentiert sie den Menschen einen Sternenhimmel sagenhafter Qualität. Rund 3000 Sterne sind dort oben mit bloßem Auge in klaren Nächten zu sehen und das Band der Milchstraße zeigt sich fein strukturiert und komplett von Horizont zu Horizont. Ein Anblick zum Niederknien, der sicherlich jeden Stadtbewohner dem Atem raubt. Für mein Dafürhalten ist die Winklmoos-Alm einer der besten Orte in ganz Bayern zum Sterneschauen. Dafür verantwortlich ist neben der intensiven weiträumigen Dunkelheit auch die Tatsache, dass die Alm auf 1200 Meter Höhe liegt. Das Sternenlicht muss sich folglich auf dem Weg zu unserer Netzhaut durch viele hundert Meter weniger an störenden Luftschichten quälen. Hinzu kommt, dass man dort oben einen nahezu uneingeschränkten 360° Rundumblick hat – also fast die gesamte Himmels-Halbkugel sieht.
Aktuelle Lichtverschmutzungskarte zeigt den wunderbar dunklen Nachthimmel der Winklmoos-Alm:
Diese Karte basiert auf Daten, die am 10. Juni 2016 von einem Wissenschafts-Team um Fabio Falchi (inklusive NOAA’s Chris Elvidge and CIRES‘ Kimberly Baugh) veröffentlicht wurden. Bild-Quelle: Falchi et al., Sci. Adv., Jakob Grothe/NPS contractor, Matthew Price/CIRES.
Der beste Nachthimmel nutzt nichts, wenn er nicht oder nur schwer erreichbar ist. Das ist auch der große Pluspunkt der Ratzinger Höhe. Das Highlight der Winklmoos-Alm ist aber nicht nur die relativ gute Erreichbarkeit aus fast allen Himmelsrichtungen, sondern die sehr gute Infrastruktur auf der Alm selbst. Gleich vier Gasthäuser/Hotels stehen hier den Sternenliebhabern zur Verfügung: die Winklmoos-Sonnen-Alm, das Hotel Winklmoos-Alm, die Traunsteiner Hütte und das Almstüberl (weitere Häuser, Infos, usw.: siehe Touristinfo Reit im Winkl). Egal, ob man diese nun nutzt, um sich vor oder nach dem Sterneschauen mit einer Brotzeit oder einem Menü zu stärken, oder bei Kaffee, Tee und Kuchen genussvoll aufzuwärmen (gerade in der kalten Jahreszeit) oder ob man den gigantischen Sternenhimmel der Winklmoos-Alm zum Anlass nimmt, direkt unter selbigem zu Nächtigen, bleibt jedem Sternenfreund selbst überlassen. Doch nicht genug: obendrein präsentiert sich die das gesamte Gebiet um die Winklmoos-Alm auch noch als ein wahrlich fantastisches Wandergebiet. „Sterne Plus“ kann man das Ganze getrost nennen.
Grundsätzlich wäre das aus Sicht von abenteuer-sterne.de möglich. Denn wie oben schon beschrieben, bietet das etwa 500.000 Quadratmeter große Areal auf der Winklmoos-Alm eine Sternenhimmelqualität, die aus meiner Sicht der eines zertifizierten Sternenparks entspricht. Davon gibt es derzeit (Stand Juli 2016) in Deutschland erst zwei Stück (Brandenburg und Nordrhein-Westfalen). Würde die Winklmoos-Alm eine solche international anerkannte Zertifizierung zum Sternenpark erlangen – diese werden übrigens von der IDA (International Dark-Sky Association) vergeben – wäre die Winklmoos-Alm der erste offizielle Sternenpark Bayerns und somit eine wunderbare Bereicherung für den Süd- und Südostbayerischen Raum.
Dorthin ist es allerdings ein längerer Weg. Viele Messungen (unter anderem diverse SQM-Messungen, kalibrierte Allsky-Aufnahmen, fotografische Leuchtenklassifikation und so weiter) müssen nach jeweils strengen Vorgaben durchgeführt werden – auch komplett in den nahen Gebieten ringsum die Winklmoos-Alm. Und vor allem müssen natürlich vorher die Gemeinde Reit im Winkl und die Almgenossenschaft mit ins Boot genommen werden, um überhaupt die ersten Schritte in Richtung einer Zertifizierung zum Sternenpark unternehmen zu können.
Die ersten Himmelsqualitäts-Messungen, die mit einem sogenannten Sky Quality Meter (kurz SQM) von mir durchgeführt wurden, sehen auf alle Fälle sehr vielversprechend aus. Und erste Informations-Gespräche, welche wesentlichen Anforderungen ein Sternenpark bezüglich einer Zertifizierung erfüllen muss und welche Vorteile das letztlich für die Gemeinde, den Tourismus und natürlich auch für alle Sternenfreunde aus In- und Ausland mit sich bringt, wurden von mir auch schon mit Personen geführt, die maßgeblich an der Zertifizierung der beiden bisher einzigen Sternenparks Deutschlands beteiligt waren.
Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich die Sache „Sternenpark Winklmoos-Alm“ weiterentwickeln wird und was man gemeinsam in dieser Sache Positives bewegen kann …